Video in der Krise?

02.05.2017

Video in der Krise?

1991 war alles andere als ein "gutes Videojahr". So manche bekannteren Videoschaffenden haben nicht produziert, der Nachwuchs hat eher enttäuscht - mit Bändern, die oft ideenlos waren, formal oder inhaltlich langweilig bis schlecht. Epigonentum macht sich breit und breiter, ein unbewußtes, weil viele nachrückende Macher sich nicht mit der Geschichte von Video beschäftigen und so keine Ahnung davon haben, daß ihre Idee schon in 1597 Versionen und oft besser realisiert worden ist. Video ist ein vielgestaltiges, begeisterndes Medium, bietet wie kein anderes audiovisuelles ein ungeheuer kreatives Potential und vor allem einen demokratischen Zugang. Nur geriert sich letzterer immer wieder auch zu einer Last: Jede(r) glaubt sich berufen, einen (Video-)Film zu drehen, die Industrie signalisiert, alles gehe wie von selbst... Vergessen wird, daß Film, auch und gerade Videofilm, nur aus dem Zusammenspiel vieler handwerklicher Künste entstehen kann: Drehbuch, Dramaturgie, Regie, Kamera, Ton, Licht, Schnitt, Musik, Videotrick etc., etc. - oder daß das Experiment der originellen Idee bedarf. Doch es werden immer wieder Videos dahingerotzt, die nur als narzistische Selbstspiegelung begriffen werden können, dumm, hirnlos, formal miserabel - eine Qual für den Betrachter. Und dann noch bei einem Festival eingereicht, obwohl man sie nicht einmal den besten Freunden zeigen sollte - die Freundschaft könnte daran zerbrechen. Die Videokultur ist mit Beginn der neunziger Jahre in eine Krise geraten. Viele "Alte" wenden sich ab, drehen keine Bänder mehr, sondern schaffen lieber Videoskulpturen, denn durch Museen oder potente Galerien ist deren Finanzierung gesichert, fällt ein akzeptables Honorar ab. Mit Tapes ist kein Geld zu verdienen, häufig werden sie nur durch unbezahlte Arbeit oder eigene Zuschüsse möglich. Das Fernsehen - gerade hierzulande - spreizt sich immer noch, Video als kreative Anregung ernst zunehmen, doch es gibt Aufbrüche, schon länger in den USA, in Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, auch bei deutschen Sendern scheint die Aufmerksamkeit langsam zuzunehmen. Gleichwohl fehlen in der Bundesrepublik Abspielorte, in denen regelmäßig Videos präsentiert werden - die Vorführungen sind wegen der hohen Bandmieten relativ teuer, Subventionen gibt es für solche Veranstaltungen kaum, die entsprechende geringe Nachfrage nach Bändern läßt die Verleihpreise sehr hoch. Ein Circulus vitiosus. Ein Abersinn: Das VideoFest tourt mittlerweile mit Ausschnitten aus seinem Programm erfolgreich in verschiedenen europäischen Ländern - nicht aber in der BRD... Doch es gibt Lichtblicke: Die europäische Initiative "Les Cent Lieux", derzeit vorwiegend noch in Frankreich angesiedelt, ist ein lockerer Verbund von Vorführstätten, die den Distributionen zum Teil Programmpakete abnehmen, sie untereinander weiterreichen - zu günstigen finanziellen Konditionen. Dieser Verbund wächst. Der "European Video Service", ein schriftlicher Informationsdienst, der später um einen Magazinteil erweitert werden soll, ist dank des Einsatzes von Alan McCluskey, Genf, in Gründung. Er soll die Kommunikation der Videoschaffenden Europas erleichtern. Der "VideoXpress" bemüht sich, im Rahmen des EG-Programms MEDIA ein Förderungsmodell für Videokultur zu etablieren; hinter dem "VideoXpress" stehen als Kooperationspartner "Det Danske Filmvearksted", Kopenhagen, Alan McCluskey, Genf, London Video Access, Nucleos dos Cineastas Independentes, Lissabon und VideoFest/MedienOperative, Berlin. Zu einem Teil dieser Initiativen wird es auf dem diesjährigen VideoFest Konferenzen geben. Sie werden im Foyer der Akademie der Künste angekündigt. Krise von Video? Nur bedingt, denn - gerade die anspruchsvollen - Aktivitäten nehmen zu, in mehr und mehr Ländern werden Videofestivals gegründet oder öffnen sich Filmfestivals für Video. Im Süden Europas, insbesondere Griechenland, Portugal, Sizilien, Spanien und Türkei, wird zunehmend mit Video produziert, entstehen eigene Formen von Videokunst - und ähnlich ist die Situation in Osteuropa. Video bleibt spannend - hoffentlich!

Micky Kwella, VideoFest

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