Videofest im fünften Jahr

02.05.2017

Videofest im fünften Jahr

Fünf Jahre VideoFest - ein kleines Jubiläum und Anlaß für eine Bilanz. Videokultur ist jung, ihr Anfang läßt sich anhand der Arbeiten von Nam June Paik auf 1963 datieren. Anders als Film ist Video bis heute (und vermutlich auch in Zukunft) nicht von einer Aura umgeben, anders als Fernsehen stellt es kein Massenmedium dar. Gleichwohl ist die Bedeutung von Video unübersehbar: Es hat seinen Anspruch vom unabhängigen Produzententum weitgehend gewahrt, zum ersten Mal einen wirklich demokratischen Zugang zu einem audiovisuellen Medium geschaffen - und ist aufgrund beider Faktoren eine Spielwiese im besten Sinne des Wortes für kreatives, visuelles Schaffen geworden. Video hat die Funktion des kurzen, des experimentellen Films fast vollständig übernommen und liefert darüberhinaus schöpferische Impulse für die anderen Medien. Und hat dennoch seine Eigenständigkeit behalten. Es war und ist Anspruch der MedienOperative, mit dem VideoFest die Entwicklung der internationalen Videokultur zu spiegeln, den Reichtum all ihrer Genres zu repräsentieren - sei es bei Produktionen, bei Skulpturen oder bei grenzüberschreitenden Bereichen wie interaktiven Medien oder Computeranimation. Dies scheint gelungen, wie der von Jahr zu Jahr wachsende Zuspruch von Publikum, Fachleuten und Medien dokumentiert - ebenso wie die steigende Zahl von Anmeldungen zur Teilnahme. Unsere Ausschreibung geht mittlerweile in 60 Länder aller Kontinente. Das VideoFest ist zu einem internationalen Treffpunkt von Videoschaffenden geworden, auf dem nicht nur ein vielschichtiges Programm geboten wird, sondern auf dem ebenso Tagungen, Konferenzen und ein kommerzieller Videomarkt für die Independents stattfinden. Immer häufiger werden Vertreter des VideoFests ins Ausland eingeladen, um dort mit Ausschnitten des VF-Programms den Stand der internationalen Videokultur vorzustellen. Das Video- Fest ist an verschiedenen europäischen Initiativen zur Förderung von Videokultur beteiligt, ebenso an Berliner Initiativen zur Verbreitung des jungen Mediums. In nur fünf Jahren ist das Video- Fest zu einer Institution geworden. Vor noch einem Jahr drohte der Kollaps, denn wegen der chronischen Unterfinanzierung wollten und konnten sowohl die MedienOperative wie auch die Mitarbeiter des VideoFests das Festival nicht über 1991 hinaus fortführen. Der Berliner Kultursenator Roloff-Momin hat jedoch die Bedeutung des VideoFests für Berlin erkannt und hat, trotz der angespannten finanziellen Situation der Stadt, das Festival nach Kräften gefördert. Dennoch reichen die Mittel des Senats und die, die wir über andere Förderer zusätzlich auftreiben, nicht aus, um ein Festival der elektronischen Medien zu veranstalten, das einer Metropole angemessen wäre. Doch wir sind arbeitsfähig geworden. Das Programm '92: Schwerpunktmäßig sind die USA und Osteuropa stark vertreten, Frankreich tritt als Videoland immer mehr in den Vordergrund, und so ist es naheliegend, daß der diesjährige Artist in Residence zum ersten Mal ein Franzose ist: der in seinem Schaffen überaus facettenreiche Jean-Louis Le Tacon. Mehr als in früheren Jahren werden namhafte Videoschaffende persönlich Arbeiten von sich vorstellen: Jeanne C. Finley (USA), Alexander Hahn (CH/USA), Joan Jonas (USA), Fabrizio Plessi (I), Shelly Silver (USA), außerdem Videoschaffende aus Osteuropa, Lateinamerika und verschiedenen mitteleuropäischen Ländern. Das Programm '92 ist wohl vielschichtiger als alle bisherigen VideoFest-Programme: Es ist sperrig, intelligent, unbequem, unterhaltsam, geprägt von einem kreativen Umgang mit elektronischen Mitteln. Und das, obwohl das vergangene Jahr - international gesehenein etwas mageres Videojahr war. Es wurde weniger als sonst produziert, und häufig nicht mehr als Mittelmaß. Wenn das diesjährige Programm dennoch von hoher Qualität ist, so liegt dies am rapide gewachsenen Bekanntheitsgrad des VideoFests und an unseren umfangreichen Kontakten in aller Welt. Wir danken allen Förderern des VideoFests und wünschen unseren Gästen und Besuchern zwölf spannende Tage.

Hartmut Horst (MedienOperative), Micky Kwella (VideoFest)

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